Tschechien: Erfüllungsleistung durch Einzahlung in ein anderes als das vertraglich vereinbarte Konto; Ersatzleistung durch Hinterlegung in justizielle Verwahrung

Ist die einseite Änderung des Erfüllungsorts – hier: ein Bankkonto – statthaft? Unter welchen Umständen kann eine Ersatzleistung in gerichtlicher Verwahrung zum Einsatz kommen?

In einer der wichtigsten Entscheidungen, die der Oberste Gerichtshof im vergangenen Jahr getroffen hat, ging es um die Zulässigkeit einer einseitigen Änderung des Erfüllungsortes – eines Bankkontos –sowie darum, wann und unter welchen Bedingungen die so genannte Ersatzleistung in gerichtliche Verwahrung zulässig ist.

Was war geschehen?

Die Parteien hatten einen Vertrag über die entgeltliche Übertragung eines Geschäftsanteils an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung geschlossen. Die Gegenleistung für den Geschäftsanteil war in zwei Raten aufgeteilt. Der Beklagte leistete die erste Rate ordnungsgemäß. Die zweite Rate in Höhe von 2 Mio. CZK sollte per Überweisung auf das im Vertrag angegebene Bankkonto des Klägers überwiesen werden. Der Beklagte zahlte letztendlich einen Teil der zweiten Rate in Höhe von 1,5 Mio. CZK, jedoch auf ein anderes als das im Vertrag vereinbarte Konto des Klägers; einen Teil i.H.v. 250 Tsd CZK zahlte er dem Kläger in bar. Obwohl ein Teil der zweiten Rate somit anders als vereinbart gezahlt wurde – z.T. auf ein anderes als das vereinbarte Konto und z.T. in bar -, zahlte der Kläger diesen Betrag nicht zurück.

In der Folge wurde der Schuldner aufgefordert, die gesamte zweite Rate (erneut) auf ein Rechtsanwaltsanderkonto zu zahlen – also wiederum ein anderes Konto als das vertraglich vereinbarte. Der Gläubiger ließ über seinen Vertreter mitteilen, dass der Grund für die Änderung die Kündigung des ursprünglich vereinbarten Kontos sei, und fügte hinzu, dass er derzeit eine Haftstrafe verbüße. Als Vorsichtsmaßnahme hinterlegte der Schuldner daraufhin den restlichen Teil der zweiten Rate in Höhe von 250 000 CZK in gerichtlicher Verwahrung.

Das Gericht vertrat die Auffassung, dass der Kläger mit seiner letzten Aufforderung vor Klage tatsächlich den Erfüllungsort einseitig auf ein anderes als das zwischen den Parteien vereinbarte Konto verlegt hatte. Gleichzeitig kam es jedoch zu dem Schluss, dass die bloße Hinterlegung des Betrages durch den Beklagten bei Gericht die vertragliche Verpflichtung nicht erfüllen konnte, da es keine objektiven Gründe für dieses Vorgehen gab. Das Gericht entschied ferner, dass der Schuldner verpflichtet sei, den Betrag zu zahlen, der dem Rückstand der zweiten Rate entspreche. Das Berufungsgericht schloss sich dieser Auffassung an. Der Beklagte (d.h. der Schuldner) legte gegen das Urteil des Berufungsgerichts Revisionsklage beim Obersten Gerichtshof ein.

Wechsel des Erfüllungsortes

Der Oberste Gerichtshof erinnerte an die ständige Rechtsprechung bezüglich des Erfüllungsortes, die unter der sogenannten „alten“ Regelung zustande kam (d.h. gemäß Gesetz Nr. 40/1964 Slg., Zivilgesetzbuch, und Gesetz Nr. 513/1991 Slg., Handelsgesetzbuch), und kam zu dem Schluss, sie sei auch heute, unter dem neuen Bürgerlichen Gesetzbuch (Gesetz Nr. 89/2012 Slg.) anzuwenden, und zwar wie folgt:

  1. Zu den Bedingungen für die ordnungs- und fristgemäße Erfüllung einer Verpflichtung gehört die Erfüllung an einem bestimmten Ort (dem sogenannten Erfüllungsort).
  2. Vereinbaren die Parteien, dass der Schuldner zugunsten des in der Vereinbarung angegebenen Kontos des Gläubigers leistet, kann diese Vereinbarung als Bestimmung des Erfüllungsortes gelten.
  3. Ist der Erfüllungsort von den Parteien einvernehmlich festgelegt worden, kann er nicht einseitig geändert werden, sondern es muss die Zustimmung der anderen Partei eingeholt werden.
  4. Die Zahlung der Schuld auf ein anderes Konto des Gläubigers als das Konto, auf das die Zahlung nach der Vereinbarung erfolgen sollte, hat somit keine schuldbefreiende Wirkung.
  5. Gibt der Gläubiger dem Schuldner das Geld nicht unverzüglich zurück, nachdem er im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs feststellen konnte, dass der Schuldner die Gegenleistung auf sein Konto überwiesen hatte (welches sich von dem Konto unterschied, auf das der Schuldner nach dem Vertrag zu zahlen hatte), kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass er die Gegenleistung des Schuldners auf ein anderes Konto dadurch annahm; in diesem Fall erlischt die Verpflichtung des Schuldners (sofern der Vertrag nichts anderes vorsieht) an dem Tag, an dem der überwiesene Betrag dem (nicht vereinbarten) Konto des Gläubigers gutgeschrieben wird.
  6. Eine Verpflichtung kann nicht nach dem Willen einer der Parteien geändert werden, es sei denn, die andere Partei, deren Rechtsstellung durch die Änderung unmittelbar betroffen ist, hat ebenfalls zugestimmt.

Gleichzeitig erlaubt das Bürgerliche Gesetzbuch (Gesetz Nr. 89/2012 Slg.) in seinem § 1956 die einseitige Änderung des Erfüllungsortes im Falle der Verlegung des Wohnsitzes, des Sitzes oder des Ortes des Betriebs bzw. der Geschäftseinrichtung des Gläubigers. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs kann diese Regelung in Anwendung des Billigkeitsgrundsatzes analog auf eine einseitige Änderung des Erfüllungsortes im Falle einer Änderung des Kontos des Gläubigers angewandt werden, sofern der Gläubiger die erhöhten Kosten und Risiken der anderen Partei trägt. Voraussetzung ist, dass der Schuldner ordnungsgemäß über die Änderung des Erfüllungsortes, d. h. des neuen Bankkontos, unterrichtet und zur Zahlung auf dieses Konto aufgefordert wurde.

Soweit das Konto des Gläubigers (des Klägers) gekündigt und der Schuldner davon in Kenntnis gesetzt und aufgefordert wurde, auf ein anderes Konto einzuzahlen – was einer einseitigen Änderung des Erfüllungsorts gleichkommt -, so war der Schuldner nach Ansicht des Berufungsgerichts verpflichtet, auf dieses neue Konto einzuzahlen und nicht in die Obhut des Gerichts.

Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Teil der zweiten Rate des Kaufpreises in Höhe von (auf ein anderes Konto eingezahlten) 1,5 Millionen CZK bzw. (bar bezahlten) 250 Tsd. CZK ordnungsgemäß gezahlt worden ist – da der Gläubiger die Zahlung (obschon an einem nicht vereinbarten Erfüllungsort) akzeptierte und sie nicht zurückgab. Der Restbetrag der zweiten Rate in Höhe von 250 Tsd. CZK hätte jedoch bereits auf das neue Konto (also das anwaltliche Anderkonto) überwiesen werden müssen – es sei denn, die Bedingungen für die Zahlung in gerichtliche Verwahrung waren erfüllt, siehe unten.

Bedingungen für die Einzahlung in justizielle Verwahrung

Generell gilt: Solange die Voraussetzungen für eine Hinterlegung des Geldes bei Gericht nicht erfüllt sind (z. B. weil der Gläubiger die Leistung nicht verweigert, anwesend ist, der Schuldner keinen Zweifel daran hat, an wen und wo er leisten soll), so wird die Schuld durch die Hinterlegung des Geldes bei Gericht nicht getilgt, und die Verpflichtung des Schuldners, direkt an den Gläubiger zu leisten, besteht fort.

Im obigen Fall würde dies bedeuten, dass der Schuldner seine Schuld durch Einzahlung des Kaufpreises für den Erfüllungsanteil auf das Konto des Gerichts nicht erfüllte; vielmehr hatte er den Restbetrag von 250 Tsd. CZK auf die neu bekannt gegebene Kontonummer des anwaltlichen Anderkontos zu überweisen.

Der Oberste Gerichtshof wies jedoch darauf hin, dass in Anbetracht der Umstände des Falles die Möglichkeit, die Zahlung auf das Treuhandkonto durch eine Ersatzleistung in gerichtliche Verwahrung zu ersetzen, nicht ausgeschlossen werden kann, insbesondere in einer Situation, in der der Schuldner Zweifel daran haben durfte, ob die Zahlung auf das neu bezeichnete Konto tatsächlich seine Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger erfüllt.

Im vorliegenden Fall konnte der Beklagte Zweifel gehabt haben, insbesondere weil der Kläger inhaftiert und nicht erreichbar war und das ursprüngliche Konto aus unklaren Gründen, möglicherweise im Zusammenhang mit den kriminellen Aktivitäten des Gläubigers, geschlossen worden war. Der Schuldner kommunizierte nur mit einem Bevollmächtigten des Gläubigers, die Unterschrift des Gläubigers auf der Vollmacht war nicht amtlich beglaubigt und die Zahlungsaufforderung war um ein Vielfaches höher (2 Mio. CZK) als der tatsächliche Schuldsaldo (250 000 CZK). Die Vorinstanzen hatten sich mit diesen Umständen in keiner Weise befasst.

Der Oberste Gerichtshof bestätigte ferner, dass es im Verfahren über die treuhänderische Verwahrung nicht darauf ankommt, wie der Hinterleger den Antrag auf Einleitung des Verfahrens zur Hinterlegung der Leistung bei Gericht rechtlich qualifiziert, sondern auf die Beschreibung des Grundes für die Hinterlegung anhand der tatsächlichen Umstände.

Der Oberste Gerichtshof fasste die Voraussetzungen für die gerichtliche Verwahrung wie folgt zusammen: Die Leistung in gerichtliche Verwahrung hat Erfüllungswirkung, aber nur dann, wenn der vom Schuldner im Antrag auf Verfahrenseröffnung angegebene gesetzliche Grund für die gerichtliche Verwahrung erfüllt ist.

In einem Verfahren wg. Zahlung einer Schuld (deren Erfüllung durch gerichtliche Hinterlegung behauptet wurde), muss das Gericht prüfen, ob die vom Schuldner im Antrag auf Anordnung der gerichtlichen Verwahrung genannten Gründe erfüllt sind. Auch im vorliegenden Verfahren hat das Gericht die Gründe für die Ersatzleistung in justizielle Verwahrung nicht danach zu beurteilen, wie der Antragsteller (Schuldner) sie im Antrag rechtlich qualifiziert hat, sondern wie er sie faktisch definiert hat (die rechtliche Qualifizierung, d. h. die Einordnung unter einen der gesetzlichen Gründe, obliegt dem Gericht).

Fazit

Der Oberste Gerichtshof hat den oben beschriebenen Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen. Der Fall ist damit für die Parteien noch lange nicht abgeschlossen. Die juristische Fachwelt und die allgemeine Öffentlichkeit können jedoch bereits jetzt die folgenden Schlussfolgerungen ziehen:

  • Die „alte“ Rechtsprechung zum Wechsel des Erfüllungsortes ist weiterhin anwendbar (siehe weiter oben);
  • § 1956 des Bürgerlichen Gesetzbuches kann auch auf eine Änderung der Kontonummer analog angewendet werden; und
  • die Hinterlegung der Erfüllungsleistung in gerichtliche Verwahrung hat nur unter bestimmten Voraussetzungen schuldbefreiende Wirkung, d.h. nicht jede Hinterlegung in gerichtliche Verwahrung ist schuldbefreiend.

 

Quelle:
Oberster Gerichtshof, 27 Cdo 544/2023

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