Im März letzten Jahres befasste sich der Oberste Gerichtshof im Rahmen eines vom Beklagten angestrengten Revisionsverfahrens (die niederen Gerichte hatten an seinen Grundstücken ein Wegerecht zugunsten des Klägers bestellt) mit der bis dahin offenen Frage der Passivlegitimation in Verfahren wg. der Genehmigung eines notwendigen Zugangsrechts.
Auf der Grundlage einer Klage hatte das erstinstanzliche Gericht ein Wegerecht über die Grundstücke des Beklagten zugunsten des Klägers gewährt (als Eigentümer eines Gebäudes, dessen ordentliche Nutzung mangels Anschlusses ans öffentliche Wegenetz nicht möglich war). Das Berufungsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil, woraufhin der Beklagte in Revision ging. Er brachte vier Revisionsgründe gegen das angefochtene Urteil vor, von denen der Oberste Gerichtshof drei für zulässig befand.
Zwei davon (betreffend das klägerische Verschulden am mangelnden Zugang zum Gebäude einerseits, und die Form und Höhe des Entgelts für die Einräumung des Wegerechts andererseits) waren laut Oberstem Gerichtshof zulässig, weil das Berufungsgericht von der bisherigen Entscheidungspraxis des OGH abgewichen war. Was den dritten Revisionsgrund anbelangt, der die Passivlegitimation in Streitigkeiten wg. Bestellung eines Wegerechts betraf, so wurde auf dessen Zulässigkeit deswegen erkannt, weil die Frage offensichtlich noch einer juristischen Behandlung harrte, und dies obwohl eine recht umfängliche höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage des Wegerechts vorliegt.
Dies dürfte wohl der nicht ganz typischen Sachlage im zu behandelnden Fall geschuldet sein: Das klägerische Gebäude war vom öffentlichen Wegenetz durch die Grundstücke gleich mehrerer Eigentümer getrennt – eine Situation, auf die auch im Bürgerlichen Gesetzbuch keine Antwort zu finden ist. Der Kläger hatte in seiner Klage jedoch die gerichtliche Einräumung eines Wegerechts nur in Bezug auf die Grundstücke des Beklagten angestrengt, und bezüglich der Grundstücke von Dritteigentümern zwischen seinem Gebäude und dem öffentlichen Weg darauf verwiesen, er habe anderweitig für Zugang gesorgt. Allerdings brachte er hierfür im Rahmen der Beweisaufnahme keine Beweise vor, so dass es bei der bloßen Behauptung des Klägers blieb.
Der Beklagte wehrte sich gegen die Klage mit dem (später auch in der Revision eingesetzten) Argument, dass der Kläger hätte alle Eigentümer der für den Zugang zum Gebäude notwendigen Grundstücke verklagten müssen. Der Oberste Gerichtshof gab dem Beklagten prinzipiell recht und konstatierte, die Einräumung eines Wegerechts müsse im Ergebnis dazu führen, dass die Grundbedingung nicht länger erfüllt ist, derentwegen ein Wegerecht gerichtlich angestrengt werden kann – nämlich der mangelnde Anschluss einer Immobilie ans öffentliche Wegenetz. Daraus schloss der Oberste Gerichtshof, der Kläger müsse dort, wo zwischen der unzugänglichen Immobilie und dem öffentlichen Weg die Grundstücke mehrerer Eigentümer liegen:
1. entweder alle diese Eigentümer verklagen, und zwar mit einer Klage, die in einem Verfahren verhandelt wird; oder
2. im Verfahren beweisen (und also nicht bloß behaupten), dass der Zugang über die Grundstücke der nicht verklagten Eigentümer auf der Grundlage eines anderen Rechtstitels sichergestellt ist (also z.B. mittels eines Mietvertrags oder eines Vertrags über die Bestellung einer Dienstbarkeit).
Damit hat der Oberste Gerichtshof seine bisherige Rechtsprechung zum Thema Wegerecht um eine Lösung für eine vom Gesetzgeber nicht bedachte Situation bereichert, und zwar auf eine Art und Weise, die angemessen den grundlegenden Charakter des Wegerechts als Rechtsinstitut widerspiegelt.
Quelle:
Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 10.3.2021, AZ 22 Cdo 1826/2020
Bestimmungen der §§ 1029 – 1036 BGB-cz