Zwei Beschlüsse von obersten deutschen Gerichten, dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und dem Bundesgerichtshof, haben Anfang 2022 teilweise Klarheit bezüglich der Pflicht zur Herausgabe von Nutzerdaten und der Möglichkeit der Verwendung von Pseudonymen gebracht.
Zwei Beschlüsse von obersten deutschen Gerichten, dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und dem Bundesgerichtshof, haben Anfang 2022 teilweise Klarheit bezüglich der Pflicht zur Herausgabe von Nutzerdaten und der Möglichkeit der Verwendung von Pseudonymen gebracht. Am 19.12.2021 hat das BVerfG (AZ: 1 BvR 1073/20) entschieden, dass Nutzerdaten bei massiven Beleidigungen an den Geschädigten herausgegeben werden müssen und somit nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt sind. Kurze Zeit später, am 27.1.2022, hat der BGH entschieden (AZ: III ZR 3/21 und 4/21), dass es bei sog. (a)sozialen Medien bei Altfällen (jedenfalls bis zum 25. Mai 2018, als die DGSVO, auch als (engl.) GDPR bekannt, in Kraft getreten ist) keine Verpflichtung zur Nutzung der Klarnamen gibt, d.h. Nutzerkonten mit Pseudonymen oder Aliasnamen, die bis dahin angelegt worden waren, zulässig sind und nicht gelöscht oder gesperrt werden dürfen. Beide Entscheidungen gelten für deutsche Nutzer, aber natürlich sind auch territorial andere Fallkonstellationen denkbar, die auch deutschem Recht unterliegen. Nach der DGSVO wird es hierzu bald eine europaweite Auslegung des EuGH geben müssen, ob nämlich die DGSVO Nutzerkonten unter Pseudonymen verbietet.
Im ersten Fall war die deutsche Politikerin der Grünen/Bündnis 90, Renate Künast, auf Facebook massiv beleidigt worden; die Invektiven sind im Beschluss des BVerfG teilweise zitiert, was an dieser Stelle unterbleiben soll, denn es ist schon erstaunlich, wie tief viele Nutzer bei ihren Kommentaren auf den (a)sozialen Plattformen sinken. Bei den sog. Posts ging es um eine angebliche Billigung von Pädophilie in der Debatte der Grünen in den 80er Jahren. Die Zitate Künasts waren aber falsch, zumindest aus dem Zusammenhang gerissen, und „garniert“ mit massiven Beleidigungen und Drohungen, teilweise auch sexueller Art. Teilweise waren diese Esel bei Facebook sogar unter ihrem echten Namen unterwegs, das BVerfG hatte den Fall nur für die anonym oder pseudonym auftretenden Nutzer zu entscheiden, die sich mit Verweis auf die ihnen angeblich zustehende Meinungsfreiheit weigerten, ihre Identität offenzulegen, und mit ihnen Facebook. Berliner Gerichte, bis hoch zum Kammergericht, gaben den Nutzern in der Hälfte der Fälle sogar recht, diese Entscheidungen wurden jetzt durch den Beschluss des BVerfG erfolgreich angefochten, in dem festgestellt wird, dass die Meinungsfreiheit bei Schmähkritik zurücktreten müsse, insbesondere bei solcher Kritik an Politikern. Denn diese müssten ausreichend geschützt werden, denn wenn dies nicht der Fall sei, würde sich in einer Demokratie niemand mehr finden, sich öffentlich politisch zu betätigen. Die Nutzer können nun wegen Beleidigung vor deutschen Gerichten angeklagt werden.
Der zweite Fall betraf die Löschung von Nutzerkonten bei Facebook, die vor dem 25. Mai 2018 angelegt worden waren; dabei berief sich Facebook auf seine Nutzerbedingungen, aber auch auf deutsches innerstaatliches Recht. Der BGH stellte, unter Verweis auf § 307 BGB (AGB-Kontrolle) und das Telemediengesetz (TMG), fest, dass eine Nutzung von Pseudonymen auf der sozialen Plattform Facebook nicht zu beanstanden sei (die ausführliche Begründung ist noch nicht veröffentlicht); dies entspreche dem BGB und dem TMG, die Nutzungsbedingungen von Facebook, die bis Mitte Mai 2018 galten, seien in diesem Umfang unwirksam. Der Grund sei, dass die Argumentation der Beklagte, auf Konten mit Pseudonymen würde es zu viele Rechtsverletzungen geben, nicht richtig sei, denn es auch auf vielen Konten mit Klarnamen Rechtsverletzungen. Die genaue Begründung ist, wie gesagt, derzeit, Mitte Februar 2022, noch nicht veröffentlicht.