Der Oberste Gerichtshof hatte sich mit einer Situation zu befassen, in der Vertragsparteien im Rahmen der Ausarbeitung eines Werkvertrags für eine architektonische und städtebauliche Studie es versäumt hatten, eine Lizenzabrede zu treffen, die insbesondere das Recht des Auftraggebers zur Änderung der Studie abgedeckt hätte.
Kürzlich hat sich der Oberste Gerichtshof mit einer Situation befasst, in der die Vertragsparteien im Rahmen der Ausarbeitung eines Werkvertrags für eine architektonische und städtebauliche Studie keine entsprechenden Lizenzbedingungen aufgenommen hatten, insbesondere nicht das Recht des Auftraggebers, die Studie zu ändern, sie anschließend in der geänderten Form zu nutzen, Kopien anzufertigen und sie im Rahmen der Ausführung des Projekts, welches die Studie in ihrem Zusammenhang vorschlägt, weiter zu nutzen – soll heißen, all diejenigen Rechte, die der Auftraggeber einer solchen Studie in der Regel ausüben will, sei es, um ein Modell des Gebäudes anzufertigen, um Planungs- und Ausführungsunterlagen zu beschaffen, oder um die Studie als Teil der Unterlagen für spätere Verwaltungsverfahren zu verwenden.
Diese Situationen werden im Wesentlichen durch die Bestimmungen von § 61 des Urheberrechtsgesetzes geregelt, wonach bei einem (urheberrechtlich geschützten) Werk, welches vom Urheber im Rahmen eines Werkvertrags geschaffen wurde, davon auszugehen ist, dass der Urheber, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben, eine Lizenz für die sich aus dem Vertrag ergebenden Zwecke erteilt hat. Der Auftraggeber ist nur auf der Grundlage eines Lizenzvertrags berechtigt, das Werk über diese Zwecke hinaus zu nutzen, es sei denn, das Urheberrechtsgesetz bestimmt im Einzelfall etwas anderes.
Die juristische Praxis legt diese Bestimmung als eine Art gesetzliche Lizenz aus, bei der die Lizenz durch den Zweck des (Haupt-)Vertrags selbst begründet, bedingt und begrenzt wird. Dieser (insbesondere wirtschaftliche) Zweck ist dann, unabhängig davon, ob er im Werkvertrag ausdrücklich vereinbart oder indirekt angedeutet wird, das entscheidende Kriterium für alle Lizenzrechte, die der Auftraggeber hat bzw. haben kann.
Bei Werken der Baukunst wird davon ausgegangen, dass der wirtschaftliche Zweck des Werkes, das ursprünglich in Form einer Architekturstudie vorliegt, im Grunde die spätere Errichtung des Gebäudes für die Bedürfnisse des Bauherrn ist. Daher umfasst die fragliche gesetzliche Lizenz auch die Befugnis, das Werk des Urhebers nicht nur durch die physische Errichtung, sondern auch auf alle anderen Arten zu nutzen, die bei der Errichtung eines Gebäudes aufgrund seiner Eigenschaften üblich sind. Die Lizenz umfasst auch das Recht, in angemessenem Umfang Unterlizenzen zu vergeben. Dies alles gilt freilich unter der Voraussetzung, dass der Auftraggeber das Werk nicht in einer Weise nutzt, die den Wert des urheberrechtlich geschützten Werkes im Sinne von § 11 Abs. 3 UrhG mindert. Die juristische Praxis hält es dabei für unerheblich, ob der Urheber bei der Vereinbarung des Preises für die Erstellung (allein) seines Werkes ohne rechtliche Grundlage davon ausging, es stehe zusätzlicher Gewinn durch den Abschluss eines (weiteren) Werkvertrags über die Erstellung eines allgemeinen (d.h. nicht urheberrechtlich geschützten) Werkes in Form von Planungsunterlagen, einer weiteren vorbereitenden Vervielfältigung seines architektonischen Werkes oder vielleicht sogar in Form der Errichtung des Gebäudes zu erwarten.
In seiner Beurteilung der vorstehend beschriebenen Situation hat der Oberste Gerichtshof dieses Konzept praktisch ohne weiteres bestätigt und akzeptiert.
Nach Auslegung des Obersten Gerichtshofs wird für den Fall, dass die Parteien keinen gesonderten Lizenzvertrag zum Werkvertrag abschließen, in § 61 Abs. 1 UrhG eine gesetzliche Vermutung aufgestellt, wonach der Urheber dem Auftraggeber eine Lizenz für den Zweck des Werkvertrags erteilt hat. Mit anderen Worten: Die Vertragsparteien schließen untereinander (zusätzlich zum Werkvertrag) einen Lizenzvertrag, in dem der Urheber als Auftragnehmer des Werkes dem Auftraggeber als Erwerber gegen ein (im Werkpreis bereits enthaltenes) Entgelt eine nichtausschließliche Lizenz für solche Nutzungen und in solchem Umfang einräumt, wie dies zur Erreichung des sich aus dem Werkvertrag ergebenden Zwecks erforderlich ist.
Im Falle eines Rechtsstreits, insbesondere bei Urheberrechtsschutzverfahren, wird dieser Zweck vom Gericht anhand der besonderen Umstände des Falles beurteilt. Das Gericht wird seine Feststellungen in erster Linie auf den Inhalt des Vertrags stützen müssen, wobei die üblichen Auslegungsregeln anzuwenden sind. Die Darlegungs- und Beweislast liegt dann in der Regel bei der Partei, der die Behauptung des Inhalts des Vertragszwecks zugutekommt; in der Regel wird dies der Auftraggeber als Beklagter sein, der sich darauf beruft, dass seine Nutzung des Werks mit der gesetzlichen Lizenz im Einklang steht.
Andererseits müssen aber auch die Interessen des Auftraggebers angemessen geschützt werden, wenn der Vertragszweck die Erteilung einer Unterlizenz an einen Dritten, die Abtretung des urheberrechtlich geschützten Werks oder die Veränderung des urheberrechtlich geschützten Werks rechtfertigt. In diesem Sinne ist auch der Urheber selbst verpflichtet, alles zu unterlassen, was die berechtigten Interessen des Auftraggebers, die sich aus dem Zweck des Werkvertrags ergeben, bedrohen oder schädigen könnte.
Insoweit ist die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs lediglich eine Bestätigung der bereits von der Praxis verfochtenen Rechtsauffassungen und somit ein positiver Aspekt, der die Rechtsauslegung weiter vereinheitlicht. Gleichzeitig bestätigt sie die Existenz eines gewissen „Sicherheitsnetzes“ für Auftraggeber, die es versäumt haben, wichtige Bestimmungen betreffend den Umfang und den Inhalt der für das urheberrechtlich geschützte Werk gewährten Lizenz in den Werkvertrag aufzunehmen. Allerdings ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die Identifizierung des eigentlichen (wirtschaftlichen oder anderweitigen) Vertragszwecks dort, wo er weder im Vertrag noch in der Begleitdokumentation offen zum Ausdruck gebracht wird, in punkto Beweislage eine höchst anspruchsvolle Aufgabe sein kann, so dass am Ende der fachjuristische Beistand von viel größerer Relevanz als bei der Abfassung des ursprünglichen Vertrags sein mag.
Urheberrechtsgesetz, Werkvertrag, architektonisches Werk, städtebauliche Studie, Lizenzvertrag
Quelle:
Urteil des Obersten Gerichtshofs der Tschechischen Republik 27 Cdo 2857/2019 vom 6. April 2021
Siehe u.a. Telec, I., Tůma, P. Autorský zákon, Komentář. (Kommentar zum Urheberrechtsgesetz), 2. Aufl., Prag: C. H. Beck, 2019, S. 1295